35 Kilo Hoffnung by Anna Gavalda

35 Kilo Hoffnung by Anna Gavalda

Autor:Anna Gavalda [Gavalda, Anna]
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: arsEdition GmbH
veröffentlicht: 2014-08-05T22:00:00+00:00


Als ich nach Hause kam, blätterten meine Eltern Prospekte durch und tippten auf einem Taschenrechner. Wäre das Leben ein Comic, hätte ich schwarzen Rauch über ihren Köpfen gesehen. Ich sagte »’n Abend« und schlug schnell den Weg in Richtung Kinderzimmer ein, aber sie riefen mich zurück.

»David, komm her!«

Am Klang seiner Stimme erkannte ich, dass mein Vater nicht zu Scherzen aufgelegt war.

»Setz dich.«

Ich fragte mich, was man mir heute auftischen würde …

»Wie du weißt, haben sich deine Mutter und ich entschlossen, dich in ein Internat zu schicken … « Ich schlug die Augen nieder. Ich dachte: Wenigstens ein Mal seid ihr euch über etwas einig. Es ist nie zu spät. Schade nur, dass es wegen einer so elendigen Sache ist …

»Ich kann mir vorstellen, dass dich diese Idee nicht begeistert, aber es ist nun mal so. Wir befinden uns in einer Sackgasse. Du lernst nichts, du bist von der Schule geflogen, keiner will dich und die Schule im Viertel taugt nichts. Wir haben keine Wahl … Aber was du vielleicht nicht weißt, ist, dass das Internat sehr viel Geld kostet. Du solltest dir darüber im Klaren sein, dass wir eine große finanzielle Anstrengung für dich auf uns nehmen, eine wirkliche Anstrengung … «

Ich kicherte in mich hinein: Oh … Aber das ist nicht nötig. Danke. Danke. Meine Herren! Sie sind zu gütig. Soll ich Ihnen die Füße küssen, meine Herren?

Mein Vater fuhr fort:

»Willst du nicht wissen, wo du hinkommst?«

» … «

»Ist es dir egal?«

»Nein.«

»Nun gut, wir wissen es auch nicht, stell dir vor. Diese Geschichte bereitet einem wirklich Kopfzerbrechen. Deine Mutter hat den ganzen Nachmittag am Telefon verbracht, ohne Erfolg. Wir müssen eine Einrichtung finden, die zustimmt, dich im laufenden Schuljahr zu nehmen, und die … «

»Da möchte ich gerne hingehen«, fiel ich ihnen ins Wort.

»Was heißt ›da‹?«

»Dahin.«

Ich reichte ihnen das kleine Faltblatt, wo man die Schüler hinter einer Hobelbank arbeiten sah. Meine Mutter setzte ihre Brille auf.

»Wo ist das? Dreißig Kilometer im Norden von Valence … Das technische Gymnasium von Grandchamps … Aber sie haben keine Sekundarstufe.«

»Doch. Sie haben auch eine Sekundarstufe.«

»Woher weißt du das?«, fragte mein Vater. »Ich habe angerufen.«

»Du?!«

»Eh … ja, ich.«

»Wann?«

»Kurz vor den Ferien.«

»Du?! Du hast angerufen! Aber warum?«

»Nur so … Weil ich es wissen wollte.«

»Und?«

»Nichts weiter.«

»Warum hast du uns nichts davon erzählt?«

»Weil es unmöglich ist.«

»Warum ist es unmöglich?«

»Weil sie die Schüler nur aufgrund ihres Zeugnisses nehmen, und mein Zeugnis ist ein Schuss in den Ofen. Es ist ein solcher Schuss in den Ofen, dass man nicht einmal ein Feuer damit anzünden könnte … «

Meine Eltern schwiegen. Mein Vater las sich das Programm von Grandchamps durch und meine Mutter seufzte.

Am nächsten Tag ging ich ganz normal zum Unterricht, den übernächsten und den darauf folgenden Tag auch.

Ich fing an, den Ausdruck »die Batterien sind alle« zu verstehen.

Genau das war es. Meine Batterien waren leer.

Eine Hälfte von mir fühlte sich wie abgestorben und mir war alles egal.

Ich machte nichts. Ich hatte keine Ideen mehr. Keine Lust. Zu nichts. Ich steckte meine ganze Legosammlung in einen Karton und gab sie Gabriel, meinem kleinen Cousin.



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